Anders als Europa hat der Islam seine eigene Geschichte; beide Zivilisationen hattenzwar zivilisatorische Begegnungen, haben aber zu keinem Zeitpunkt zueinander gehört. In der neueren Geschichte kommt ein zugewanderter Islam mit vielen Millionen Migranten und damit auch mit vielen Problemen und Konflikten nach Europa, ohne dass die Europäer hierauf vorbereitet sind. Die beiden großen Errungenschaften der europäischen Zivilisation werden hierbei durch eine islamische Weltanschauung infrage gestellt: 1. das Subjektivitätsprinzip, das den Menschen als individuellen Bürger bestimmt; 2. Laizität als Ergebnis von Religionskriegen in Europa, weshalb die strenge Trennung zwischen Religion und Politik zur europäischen Weltanschauung wird. In diesem Artikel wird gezeigt, dass es bei der Kraftprobe zwischen organisierten Islam-Verbänden und deutschen Institutionen um Macht, niemals um Religionsfreiheit geht; deutsche Politiker kapitulieren. Der Kampf um Macht ist mit dem anderen Kampf um die Deutungshoheit verbunden.
Hiervon ausgehend wird im vorliegenden Artikel von B. Tibi die historisch größte Herausforderung an Europa durch diesen zugewanderten Islam auf drei Stufen erläutert: 1. Gescheiterte Integration und Bildung islamischer Parallelgesellschaften mit einer Folge der Radikalisierung. Diese Entwicklung wird anhand der Arbeiten von John Brinkman und Francis Fukuyama als eine „Zeitbombe“ untersucht. 2. Die Auseinandersetzung mit dem späten Habermas, der ab 2001 in seiner Ideologie der postsäkularen Gesellschaft eine Art „Soumission“ gegenüber dem Islam betreibt bzw. hinein verfällt, indem er Minderheitsrechte verteidigt. In diese Auseinandersetzung wird der Islamist Tariq Ramadan einbezogen, der zurzeit wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung mehrerer Frauen in Frankreich im Gefängnis sitzt; auch dieser kämpft für Minderheitsrechte. 3. Auf der dritten Stufe werden drei Sachautoritäten herangezogen, die einen hybriden Migrationshintergrund haben und somit authentisch sind; zwei davon mit muslimischem Hintergrund: Armin Nassehi und Zafer Senocak; die dritte Sachautorität ist Monika Maron mit polnisch-jüdischen Wurzeln. Alle drei treten für die Bestimmung des Menschen als ein Individuum gegen Minderheitskollektive ein.